Jer 31,31-34. Chrischona Gemeinde Haltingen 24.2.19
Nun ist es schon über zwei Jahre her, als ich diese Zeilen schreibe, dass ich diese Predigt in einer kleinen Gemeinde in Haltingen (DE) an der Grenze zur Schweiz bei Basel halten durfte.
Dieser Predigt ging eine intensive Zeit voraus, in der ich bereits zu diesem Text vor meinen Dozenten und Kommilitonen gepredigt hatte. Die erste Predigt kam wohl eher nicht so gut an, wie ich aus den Feedbacks schloss. Ich wollte daraus lernen und nutzte die nächste Gelegenheit, in einer Gemeinde zu predigen, um meine misslungene Predigt neu zu schreiben, und viele der Verbesserungspunkte, die ich aus den wertvollen Rückmeldungen gewonnen hatte, umzusetzten.
Besonders eine Dozentin war mit ihrer Rückmeldung ein gewinnbringender Antreiber gewesen und hat mit dazu beigetragen, dass diese Predigt in Haltingen eine Freude sein durfte für die Zuhörer und Zuhörerinnen.
Ich hoffe sie ist auch Dir, lieber Leser, eine Freude und Anregung im Glauben.
„Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.“
– Die Bibel, Jeremia 31,31-34
Liebe Gemeinde
Wir haben gerade die Verheissung des HERRN aus der Feder oder dem Munde Jeremias gehört, diese Verse sind das Herzstück der grossen Propheten Schriften. Ich muss gestehen, für mich gehören Kapitel 30–33 aus Jeremia zu den schönsten und mächtigsten des ganzen Alten Testaments. Diese Verse sind der Kulminationspunkt der Verkündigung des Jeremia, nach 30 Kapiteln angekündigtem Gericht und Aufruf zur Umkehr und dem damit einhergehenden vertrauensvollen Weggehen aus Israel nach Babel unter das Joch Nebukadnezars, tritt nun eine herausragende Wende in seiner Verkündigung ein: Die Worte über den verheissenen Neuen Bund sind in der ganzen Bibel einzigartig und die breite Aufnahme und Rezeption im Neuen Testament geben Zeugnis davon.
Der betreffende und der bezeugte Inhalt seiner Verkündigung hier, ist der Bund mit Gott, der alte Bund, der hiermit faktisch als gescheitert, ja gebrochen festgestellt wird und an dessen Stelle der Neue Bund treten wird. Von welcher Zeit ist nicht die Rede, nur das eine Zeit kommen wird, in der Jahwe mit Israel und Juda einen neuen Bund schliessen wird.
Gott spricht nicht von der Erneuerung des alten Bundes, auch nicht von einer Wiederaufrichtung, sondern von einem ganz neuen und ganz anderem. Dieser neue Bund ist ein Versprechen, Israel ist längst im Exil und Juda steht kurz vor der endgültigen Auslöschung und Wegführung durch Nebukadnezar, wie durch Jeremia angekündigt, Gott hat Israel den Scheidebrief gegeben (3,8) und zu Juda spricht Er: (17,4) „Denn ihr habt ein Feuer meines Zorns angezündet, dass ewiglich brennen wird.“ Der erste Bund wurde gebrochen von den Menschen, die Schuld und Verantwortung für diese Untat liegt ganz bei ihm, das Joch hat er sich selbst auferlegt, denn die Flüche stehen im Buch des Bundes beschlossen (Dtn 30,17f). In Dtn 30,17f steht unmissverständlich, dass sie als Bundespartner ihr Recht am Land verlieren und weggebracht werden sollen, wenn sie der Stimme des HERRN nicht mehr gehorchen. Und genau dies hat ja Jeremia mit drohender Stimme und letzter warnender Predigt das Volk Juda aufgefordert, „gehorcht meiner Stimme!, spricht der HERR“ (7,23; 11,4.7. usw.). Doch sie haben sich geweigert, selbst als Israel weggeführt war und Babel zum zweiten Mal in Juda einfiel und es nun endgültig zu zerstören drohte, glaubten sie Jeremias Gerichtsankündigung nicht und waren starrsinnig, glaubten den Lügen der falschen Propheten, glaubten, dass sie das Ruder ihres maroden und geschwächten Staatsapparates noch wenden könnten, wenn sie nur genug den Göttern opferten und sich weiterhin anstrengten fromme Werke zu verrichten, sie werden bei sich gedacht haben:
„Einfach optimistisch bleiben, das Beste draus machen, einfach dem Schwarzmaler Jeremia, diesem Verräter nicht glauben, nicht auf ihn hören, Gott würde so etwas niemals zulassen – Jerusalem ist doch unantastbar, sein Augapfel.“
Doch von Anfang an ist Jeremias Verkündigung klar: (3,10) „Und auch in diesem allen bekehrte sich das treulose Juda […] nicht zu mir von ganzem Herzen, sondern nur mit Heuchelei, spricht der HERR.“ Es ist diese Schuld, im Angesicht Jahwes, als er sein Volk „bei der Hand nahm“ (V32), sie hinausführte aus der Gefangenschaft und Sklaverei, sie trotz dieser Gottesschau nicht glaubten, sie ihr Herz nicht zu IHM wandten, sondern bei sich blieben, selbst als Gott bereit war seinen Bund, seine Hinwendung und Zuwenden zu Israel, seine Gnade und Erwählung in Stein zu meisseln, war das Volk nicht bei IHM, sondern mit ihren Herzen immer noch in Ägypten.
Gott geht es um das Herz, denn sein Gesetz will er in unsere Herzen schreiben, dass wir wirklich sein Volk und er unser Gott sei – Jahwe will HERR sein und er ist HERR, HERR der Leben gibt in Fülle, ER ist die (2,1) „lebendige Quelle“, weil Er geschaffen hat zum Leben und er nichts anderes sein kann, als HERR zu sein, wie wir nichts anderes können als Geschöpf, als geliebte Söhne zu sein – alles andere bedeutet Sünde und bedeutet anders gesprochen tot zu sein. Ich meine nicht einfach zu sterben, sondern im wahrsten Sinne tot zu sein, aufhören zu existieren, oder was kann es bedeutet aus der eigenen Geschöpflichkeit treten zu wollen?
Wie schnell sind wir dabei, Gott hier egoistische Machtgelüste zu unterstellen, er habe sich schliesslich selbst zum HERRN gesetzt. Ja, es mag sehr tyrannisch scheinen und anmuten, als fordere ein Despot unsere Unterwerfung, doch dieser despotische Gott, wie er uns hier bei Jeremia begegnet und im Alten Testament immer wieder als gewaltsam und niederträchtig erscheint, erscheint so nur, weil wir ihn immer mit uns, mit unseren Lebensumständen vergleich und das Mass an ihm anwenden, das wir auch an menschliche Könige und Kaiser setzten. Doch, dass Gott Mensch wurde, dass er wie in Jesaja angekündigt Knecht wurde, zeigt uns gerade, dass Gott nicht wie ein menschlicher HERR, despotisch, tyrannisch und niederträchtig regiert, sondern uns zu sich hinauf auf Augenhöhe holt. So deute ich die Theophanie am Sinai im Angesicht Moses und der 70 Ältesten, die stellvertretend für ganz Israel mit Gott redeten, opferten und feierten, während das Volk am Fusse des Berges sich sein eigenes Fest (Ex 32,5) „für Jahwe“ richtete und den Bund brach oder sogar offenbarte den Bund mit Gott seinerseits nie ernsthaft geschlossen zu haben. Wenn wir uns Jahwes Ruf zum Himmel entziehen, kommt er eben zu uns, das tat er auch, wie wir alle wissen und glauben, als er in Jesus Christus Mensch wurde; Er wurde Knecht, weil wir nicht glauben wollen, dass der HERR uns zu Herren machen will, also wurde der HERR zum Knecht, doch selbst als Knecht ist und bleibt Gott HERR, aber nun offenbart sich Gott nicht als ein HERR, wie wir ihn kennen, despotisch, verbrecherisch, machtgierig, wie wir Menschen eben sind, sondern ganz anders.
Er ruft uns zu: (Am 5,4) „Sucht mich, so werdet ihr leben“, denn er sucht uns, damit wir leben. Dieser neue Bund ist also ganz anders, weil Gott nicht mehr nur spricht, sondern wird. Er schreibt seine Tora, seinen Logos, nicht mehr einfach nur einfach auf Stein, sondern er will es in unser Herz schreiben. Doch diese Herzen sind bereits beschrieben:
(Jer 17,1) „Die Sünde Judas ist geschrieben mit eisernem Griffel und mit diamantener Spitze gegraben auf die Tafel ihres Herzens.“ (5,23) „Dies Volk hat ein abtrünniges, ungehorsames Herz; sie bleiben abtrünnig und gehen ihrer Wege.“ (9,25) „Denn alle Völker sind unbeschnitten, und ganz Israel hat ein unbeschnittenes Herz.“
Nur einer hatte ein unbeschriebenes Herz; nur der, der vorher kein Herz hatte und für uns zu einem geworden ist – Jesus hat gewissermassen der Tora ein Herz gegeben. Die Tora wurde Fleisch! Jeremia hat er verheissen:
(Jer 24,7) „Und ich will ihnen ein Herz geben, dass sie mich erkennen sollen, dass ich der HERR bin. Und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein; denn sie werden sich von ganzem Herzen zu mir bekehren.“
Dieses eine Herz ist eben Jesus Christus selbst! Wir alle haben noch kein neues Herz, wir alle haben noch dasselbe, befleckte und ungläubige Herz, dass in unserer Brust schlägt und unser Leben rhythmisiert. Doch das Herz Jesu schlägt stellvertretend für uns, weil wir es nicht können, weil wir erst sterben müssen, ehe wir ein neues, unbeschriebenes Herz empfangen werden, dass neu beschrieben nur für IHN schlagen wird.
Jesus hat den neuen Bund eingeläutet, als er zu seinen zwölf Jüngern sprach: (Lk 22,20) „Er nahm den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird!“ Mit denselben Worten, wie Mose sie zuvor am Sinai gesprochen hatte:
(Ex 24,8) „Da nahm Mose das Blut und besprengte das Volk damit und sprach: Seht, das ist das Blut des Bundes, den der Herr mit euch geschlossen hat aufgrund aller dieser Worte.“
Bei Mose äusserlich, bei Jesus innerlich; bei Mose besprengt mit fremdem Blut, bei Jesus von seinem eigenen Blut getrunken. Hier offenbart sich, dass Gott seinen Bund nicht nur mit Israel geschlossen hatte, sondern stellvertretend durch Israel mit der ganzen Welt schliessen wollte:
(Jes 49,6) „Jahwe spricht: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Völker gemacht, dass mein Heil reiche bis an die Enden der Erde.“
Jesus, der HERR als der Knecht (vgl. Mk 10,45), schliesst selbst den Bund mit Gott an unsrer statt, an Stelle der ganzen Welt, an Stelle aller Menschen. Aber dieser neue Bund ist nicht gebunden an äussere Handlungen, wie der alte Bund, sondern hier zählt nur das Herz des einen und wenn wir unser eigenes beflecktes, sündiges, sterbendes Herz ihm hinlegen, ohne Heuchelei zu ihm kommen und IHN bitten unser Herz zu heilen, so kommt er zu uns und erfüllt seinerseits das Versprechen Ezechiels, dass wir einen neuen Geist empfangen werden. Dieser Heilige Geist ist (2Kor 1,22; 5,5; Eph 1,14) „das Unterpfand unseres Erbes“, die Anzahlung des Neuen Bundes, des neuen Testaments. Denn Gott verheisst hier unglaublich viel mehr als wir jetzt haben, sehen und sind: Jahwe verspricht eine Zeit, in der keine Verkündigung, keine Predigt und Evangelisation mehr nötig ist, denn sie alle gross und klein, sie alle sollen IHN erkennen und er wird nimmermehr an unsere Sünden gedenken, sie wird dann schon lange hinter uns liegen, denn schon ist heute lange her, dass Jesus für sie starb. Und noch ist die Zeit nicht gekommen, wo alle sich Jesus schon zugewandt haben, wie der HERR durch Jesaja rief:
(Jes 45,22-24) „Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und sonst keiner mehr. Ich schwöre bei mir selbst, und Gerechtigkeit geht aus meinem Munde, ein Wort, bei dem es bleiben soll: Mir sollen sich alle Knie beugen und alle Zungen schwören und sagen: Im HERRN habe ich Gerechtigkeit und Stärke.“
Und dieser Tag ist nahe, (vgl. Röm 13,12) denn mit Jesus ist er bereits angebrochen und es dämmert schon, seid wachsam, liebe Brüder und Schwestern! Zu Recht mahnt uns Paulus:
(2Kor 13,5) „Erforscht euch selbst, ob ihr im Glauben steht; prüft euch selbst! Oder erkennt ihr an euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist? Wenn nicht, dann wäret ihr ja nicht bewährt.“
Und darum sind wir hier versammelt, zu hören das Wort unseres HERRN, denn auch wir haben es nötig, uns immer wieder neu sagen zu lassen und gegenseitig zu sagen „Jesus ist HERR!“ Und uns am Worte unseres HERRN zu erquicken und uns gegenseitig zu ermutigen, standhaft und mutig zu bleiben, allem Bösen zum Trotz, denn am Ende von allem bleibt doch eines, nämlich zuletzt bleibt Hoffnung. Ganz so wie Jeremia es verheisst – Jahwe will uns (31,17) „Zukunft und Hoffnung“ geben. Zukunft und Hoffnung, weil sich der neue Bund noch nicht ganz erfüllt hat, es bleibt noch zu hoffen, zu hoffen auf eine Zeit in der „alle“ IHN erkennen sollen. Und so schlussfolgert der Hebräerbrief auch das noch bevorstehende, noch zu hoffende Ereignis, (Heb 9,28) „zum zweiten Mal erscheint er nicht der Sünde wegen, sondern zur Rettung derer, die ihn erwarten.“
Und gerade im Zweifel, gerade in der Krise und Unsicherheit ist der Glaube lebendig, eben ein Vertrauen auf Tatsachen, die wir nicht sehen, ein Hoffen, wo es nichts zu hoffen scheint – das sind eben wir, seine Gemeinde, hoffend auf Jesus Christus, unseren HERRN, der wiederkommen wird, der am Ende alles Gut machen wird, der am Ende alle neu machen wird.
„Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“ (Oscar Wild)