Jak 1,19-27. FEG Langenthal 15.08.21
Jakobus spricht uns nicht als ein entrückter Lehrer vom Katheder aus an. Sondern als solche, die eingeweiht sind und mitreden können, solche die bereits wissen, von was er spricht. Es geht darum, was ein solcher, der das Wort Gottes gehört hat, tut. Was es heisst, das Wort zu hören und dabei zu tun.
Diese Predigt hielt ich nach einer langen Periode, in der ich keine Predigt mehr gehalten hatte. Die letzte hielt ich im Oktober 2019. Man, fast zwei Jahre.
Eine lange Zeit. Umso mehr freute es mich, wieder predigen zu können. Es ist für mich immer sehr herausfordernd und besonders, wenn ich an einem Ort das erste Mal predige.
Diese Predigt war die erste, die ich in der FEG Langenthal halten durfte. Seit bald zwei Jahren arbeitet meine Frau dort und sind wir mitglied dieser Gemeinde.
Vieles bricht auf und davon zeugt auch dieser Text, dass in allem Hören und Tun Gottes Wort, die begegnung mit Gott allein Urheber dieses Hörens und dieses Tuns ist. Und Jakobus deutet im letzten Vers auch an, wie dieses Tun als ein göttliches, von Gott gestiftetes Tun aussieht.
Gerne hätte ich noch viel über Moral und die Gefahren und Fallstricke in der Gemeinde gepredigt. Davon, dass man solche moralische biblische Texte, die vom Handeln und Tun sprechen, nicht in einer evangelikalen purity culture oder sonstigen Moralität aufgeht, sondern hier von etwas ganz Anderem die Rede ist. Aber ich musste mich bewusst auf 20 Minuten begrenzen. Das war auch gut so! Denn inhaltlich war mein Manuskript schon dicht, aber nichtsdestotzrotz hoffe ich, dass Du, liebe Leserin, daran Ermutigung und vielleicht auch etwas neues und für deinen Glauben herausforderndes finden wirst.
(16 Irrt euch nicht, meine Lieben. 17 Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel von Licht und Finsternis. 18 Er hat uns geboren nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, damit wir die Erstlinge seiner Geschöpfe seien.)
19 Ihr sollt wissen: Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn. 20 Denn des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist. 21 Darum legt ab alle Unsauberkeit und alle Bosheit und nehmt das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt ist und Kraft hat, eure Seelen selig zu machen. 22 Seid aber Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst. 23 Denn wenn jemand ein Hörer des Worts ist und nicht ein Täter, der gleicht einem Menschen, der sein leibliches Angesicht im Spiegel beschaut; 24 denn nachdem er sich beschaut hat, geht er davon und vergisst von Stund an, wie er aussah. 25 Wer aber sich vertieft in das vollkommene Gesetz der Freiheit und dabei beharrt und ist nicht ein vergesslicher Hörer, sondern ein Täter, der wird selig sein in seinem Tun. 26 Wenn jemand meint, er diene Gott [θρησκὸς], und hält seine Zunge nicht im Zaum, sondern betrügt sein Herz, so ist sein Gottesdienst [θρησκεία] nichtig. 27 Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst [θρησκεία] vor Gott, dem Vater, ist der: die Waisen und Witwen in ihrer Trübsal besuchen und sich selbst von der Welt unbefleckt halten.
– Die Bibel, Jakobus 1,19-27
„Ihr wisst es geliebte Brüder und Schwestern!“, beginnt Jakobus diesen Abschnitt. Jakobus gibt uns hier in 3 Abschnitten dieses Textes jeweils Antworten auf 3 Fragen:
1) „Wisst ihr, was es heisst, dieses Wort zu hören?“ (V. 19-21)
2) „Wisst ihr, dass man dieses Wort nicht hören kann, ohne es auch zu tun?“ (V. 22-25)
3) „Wisst ihr, was es heisst, dieses Wort zu tun?“ (V. 26-27)
1. Das Wort hören
Das Wort steht im Zentrum von Jakobus Text. Es ist in allen drei Abschnitten der Ausgangspunkt und Mittelpunkt seiner Überlegung. Wie nun wir selbst die Ursache der Sünde sind, so sind wir selbst doch nicht Urheber des Glaubens. Denn Gott ist es der uns geboren hat nach seinem Willen durch das „Wort der Wahrheit“ (V. 18). Das Hören dieses Wortes entscheidet nicht weniger als über unsere Christlichkeit. Dieses Wort aber geht „jeden Menschen“ an, es richtet sich an alle Menschen, gilt allen Menschen und ruft alle Menschen. Es ist das Wort Gottes, das ruft: „Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ (Joh 14,1) Es ist dieser Jesus Christus, der uns ruft: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Mt 11,28) Er ist das Wort das Fleisch wurde für dich: „voller Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14)
Ja, dieses Wort kann ein Mensch wahrlich nur hören, ein Wort, das aus keines Menschen Herz noch Mund gekommen ist (vgl. 1 Kor 2,9). Erst die Tatsache, dass es da ist, dass es zu uns gesprochen wurde, versetzt uns in die Lage es zu tun, wenn wir es wirklich hören, indem wir es tun.
2. Hören und Tun
Was heisst es nun aber, dass man das Wort nicht hören kann, ohne es auch zu tun?
Jakobus macht ein überraschendes Gleichnis: Ein Mensch, der das Wort zwar hört, aber es nicht tut, gleich jemandem, der sich zwar im Spiegel sieht, aber nachdem er weggeht, vergisst was er darin gesehen hat. ‚Ein Spiegel zeigt uns unser Angesicht von der zeitlichen Seite, wie das Wort unseren Ohren von der ewigen Seite zeigt, wer wir sind.‘ Einer, der das Wort hört, ohne Täter des Wortes zu sein, der hört es nicht wirklich, denn es zu hören, würde ja bedeuten, Täter des Wortes zu sein. Er hört das Wort zwar, aber vergisst dann wieder, wer er in diesem Wort ist. Der Täter des Wortes aber hört es und sieht sich darin als Gefangenen, Geopferten und Gerichteten – sieht sich als einen, den das Wort unbedingt angeht, der festgenagelt ist von diesem Wort, der von ihm bewegt ist und er tut das Wort, denn er beugt sich vor der Wahrheit des Wortes, er lässt die Wahrheit als Wahrheit gelten. Er ist ein aktiver Zuhörer, kein passiver Lauscher.
Das Gleichnis sagt es: Ja es geht im Wort selbst um uns, denn ich sehe in diesem Spiegel ja mich selbst. Ich sehe mich selbst, weil es im Wort um mich geht. Höre und tue ich es, dann höre ich es als das Wort, in dem es um mich geht, nicht um Gott, nicht um die Welt, nicht um den Menschen, sondern ganz konkret und einfach um mich. Aber gerade dies anzunehmen ist einfacher gesagt, als getan, denn in dem Wort begegne ich mir, als einem, der dem Gericht Gottes verfallen ist. Es handelt sich um die Wahrheit selbst, der gegenüber sich meine Lüge und Sünde offenbart – ‚könnte ich noch weglaufen und vergessen, mit ihr diskutieren, über sie disputieren oder spekulieren, dann ist es nicht die Wahrheit, die ich da zu hören meinte, dann hätte ich das Wort eben nicht wirklich gehört, weil ich eben kein Täter des Wortes wäre. D.h., laufe ich tatsächlich davon und vergesse es, dann habe ich es nicht als dieses Wort, als die Wahrheit, als mich unbedingt angehendes Wort gehört, weil ich es nicht gelten lassen will, und also tue ich es nicht. Denn das Wort, das mich angeht, als Wahrheit gelten zu lassen und mir gefallen zu lassen, sein Gefangener zu sein, ‚mich von ihm durchbohren zu lassen, wie von einem Speer‘, das heisst es: Hörer und Täter des Wortes zu sein. Dann hätte ich mich selbst gefunden in diesem Wort und nicht mehr verloren, dann müsste ich aufhören Zuschauer zu sein, müsste aufhören über den Dingen zu stehen, die Wahrheit des Wortes an einer anderen Wahrheit zu messen, dann würde ich mich ihm als meinem Herrn beugen. Es gibt diese Möglichkeit sich von dem Spiegelbild abzuwenden und zu vergessen, gerade davon spricht ja das Gleichnis, aber dann – so warnt uns Jakobus – täuschen wir uns eben selbst. ‚Denn lassen wir das Wort einfach Wort sein, dann lassen wir uns nicht richten, aber sind es doch ohne Gnade. Wenden wir uns von ihm ab, sind wir abgewandt von dem, was und allen allein leben gibt. Denken wir, wir könnten die Wahrheit abschütteln, so betrügen wir uns eben selbst.‘
Geschieht es aber, dass wir es als Wort an uns wirklich hören und dabei bleiben, uns nicht davon abwenden, sondern auf seiner Wahrheit beharren, so blicken wir – wie es Jakobus nennt – in das „vollkommene Gesetz der Freiheit“.
Erinnern wir uns: Jesus las in der Synagoge über sich selbst: (Lk 4,18f.)
(Jes 61,1f.) »Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und die Zerschlagenen zu entlassen in die Freiheit und zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.«
Und Paulus schrieb im Römerbrief über diese Freiheit: (Röm 8,2)
Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.
Und im 2. Korintherbrief: (2Kor 3,17)
Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.
Das „vollkommene Gesetz der Freiheit“ ist nicht die Bibel, nicht eine christliche Moral oder Ethik auch nicht die rechte Frömmigkeit und Lebensführung. Es ist das erfüllte und vollbrachte, das offenbarte und verkündigte Wort, das an alle Menschen adressierte und alle einschliessende und rufende Wort der Erlösung, der Befreiung, der Gnade über den Gerichteten. Es ist die Freiheit Gottes sein Wort zu geben, sein Wort hören zu lassen, wen er will und wann er will – es ist nicht ein natürliches, notwendiges Gesetz, es ist das vollkommene Gesetz, das alles wirkliche umfasst und einschliesst, weil es aus Gottes freiem und umverfügbarem Willen gespendetes, gestaltetes und gesprochenes Gesetz ist.
In dieser Freiheit ist Gott offenbar und Gottes Offenbarsein in meinem Herz und in meinem Tun, heisst Glauben. Das heisst es ein Christ zu sein. Täter des Wortes zu sein, heisst eben dieses Wort als Wort der Freiheit zu hören.
3. Das Wort unbefleckt von der Welt tun
Was heisst es nun aber zuletzt, das Wort zu tun?
Jakobus Antwort lautet:
die Waisen und Witwen in ihrer Trübsal besuchen und sich selbst von der Welt unbefleckt halten. (V. 27)
Menschen in Not zu helfen, dass ist etwas, dass nicht nur Christen tun können und sollen. Es ist aber gerade das zweite Gebot, dass dieses Tun zu einem frommen, zu einem Gottesdienst macht. „Sich selbst von der Welt unbefleckt halten“. Damit meint Jakobus wohl den Selbstbetrug, von dem er uns warnt. Das UND zwischen diesen beiden Geboten: die Bedürftigen in ihrer Trübsal beistehen UND sich selbst von der Welt unbefleckt halten.
Das heisst, wenn wir Tun, was richtig ist, dann sollen wir es als Hörer des Wortes der Wahrheit tun, sie als solche wissen, dass sie in dieser Wahrheit Gerichtet sind von Gott und von ihm Gnade empfangen haben, „gereinigt wurden von aller Ungerechtigkeit“ (1Joh 1,9). Ich glaube es geht Jakobus um die Herzenshaltung, dass wir nicht wie die Welt Zielen und Motiven hinterherrennen, sondern frei davon, in Jesus Christus, aus echter Herzenslust und Liebe handeln, das der Heilige Geist in unserem Leben wirklich verwandlung bedeutet, wenn wir wirkliche Hörer, also Hörer und Täter sind. „Unbefleckt von der Welt“ zu sein heisst:
Die entscheidende Tat ist nicht die meine, sondern zu allererst Gottes Tat, Gottes Tat für uns. Gottes Gesetzt zu tun, heisst sich als Mensch dieses von Gott her geschehene, für sich geschehen sein lassen, „nicht mit der Auflehnung gegen Gottes Tun leben, sondern von diesem Tun Gottes getragen,“ (Bonhoeffer) in ihm geborgen sein. Das zu tun, heisst zu glauben. Dass dieses Tun Gottes sich durch mein Leben wiederhole, dass ich mit Barmherzigkeit und Gnade handle, dass ich anderen tue, wie mir widerfahren ist: dass Gottes Wort in meinem Mund hörbar werde für andere; dass mein Handeln von diesem Wort bewegtes und getragenes sei. Dass dies in meinem Tun geschehe, ist Gnade. Gottes Werk, nicht mein Werk.
Darum freuen wir uns über Anfechtung, weil unser Glaube sich tätig bewähren wird, weil Gott uns trägt. Darum freuen wir uns Menschen in Not zu helfen, freuen uns, ohne Hintergedanken, weil Gott uns trägt. Und darum helfen wir, weil uns geholfen ist. Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. Euer Motiv zu helfen, ist nicht die Welt zu retten oder euch selbst zu rechtfertigen. Euer Motiv ist Jesus Christus, euer Glaube an den Gott der uns von sich aus und aus seinem freien Willen Menschen rechtfertig.
Und es freut mich, dass ich heute zu euch predigen durfte, dass ich durch euch ermutigt werde, weil ich viel von Gottes Gnade sehe unter euch, viel von diesem reinen und unbefleckten Gottesdienst. Es ist nicht euer Verdienst, sondern Gottes Tun in euch. Bleibt darin, erinnert euch daran und glaubt an Jesus euren Retter, der euch erlösen wird von allem Bösen!
Abschliessend möchte ich nochmals Paulus zu Wort kommen lassen, in einer etwas an unsere Zeit angepassten Version: (Gal 5,6)
Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein[, weder Armsein noch Reichsein, weder Ruhm noch Schande, weder Katholiksein noch Evangelikalsein] etwas, sondern [allein] der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.
Denn in Christus Jesus gilt nichts etwas, als [allein] der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.
Amen.