Dogmathink – was ist das?
In diesem Blog beschäftige ich mich mit der christlich-theologischen Wissenschaft der Dogmatik.
Zumindest habe ich diesen Blog mit dieser Intension gestartet.
Aber was ist Dogmatik überhaupt?
Die Dogmatik hat im Volksmund einen eher schlechten Ruf und wir wohl meisten eher pejorativ verwendet. Jemand, der „dogmatisch“ denkt, denkt unkritisch, hinterfragt nicht, geht von Glaubenssätzen aus, für die es keine Evidenzen gibt oder sich bei genauerem Hinsehen als unplausibel entpuppen.
Es kann auch eine Lehre meinen, die Allgemeingültigkeit und -verbindlichkeit für sich beansprucht.
Dogmatik ist aber in erster Linie der Fachterminus für die wissenschaftliche Glaubenslehre der christlichen Religion.
Es handelt sich bei der Dogmatik heute um eine universitäre Fachdisziplin, die auf eine lange Tradition in der Christentumsgeschichte zurückblickt.
Bereits Origenes (ca. †253) schrieb mit seinem Hauptwerk De principiis (deutsch: Von den Grundlehren) eine dogmatische Glaubenslehre mit wissenschaftlichem Anspruch.
Das heisst, Dogmatik ist alles andere als unkritisch oder unreflektiert. Dogmatik besteht geradezu aus einer kritischen Masse an Denken.
Dogmatik verlang also ein Mindestmass an kritischem Denken, um als dogmatisch zu gelten.
Diese kritische Masse an Denken ist in einem doppelten Sinne – ein Danken, das sich kritisch qualifiziert und ein Denken, das in entscheidenden Ausmass, d. h., quantitativ, aus Reflexion besteht.
Denken ist in der Dogmatik nicht nur möglich, sondern wird von ihr geradezu gefordert.
In der Dogmatik wird Denken zum Imperativ.
Theologisches Denken entspricht nämlich nicht nur einem menschlichen Bedürfnis, sondern ist uns Menschen von Gott aufgetragen, so formuliert es Paulus im 1. Thessalonicherbrief 5,21:
„Prüft aber alles und das Gute behaltet.“
Exkurs. Biblische Fragmente und Gedankenanregungen zur Dogmatik als Wissenschaft
Die Theologie als Dogmatik hat als Funktion der Kirche (Karl Barth) die Aufgabe der Selbstprüfung. Die Kirche gibt sich darin selbst Rechenschaft über den Inhalt ihrer Predigt und Gottesrede.
Dabei hat sie die Aufgabe, die Sachmäßigkeit der kirchlichen Lehre und Predigt zu prüfen. Als Hilfsmittel dazu dient ihr die menschliche Rationalität. Sie muss allein durch die Vernunft ohne Abkürzung über Glaubenssetzungen sich vor den Menschen bewähren – sola ratione.
Dieses Prinzip der rationalen Rechenschaftsablage lernen wir aus der Frühscholastik von Anselm von Canterbury (†1109):
„Er sagt: Sola ratione solle gesucht werden, solle aufgezeigt werden, solle überzeugt werden, solle Juden und sogar Heiden in der Disputation genug getan werden. Diese Formel, die in dem erläuterten Sinn das Argumentieren mit der Autorität ausschließt, ist so mißverständlich [sic!] und so verständlich wie das sola fide Luthers in seinem Zusammenhang. Es darf in Analogie zu diesem nicht verstanden werden, als ob Anselm solitaria ratione geschrieben hätte. Die ratio Anselms hat die Autorität als Voraussetzung ebenso notwendig bei sich, wie die fides Luthers die Werke als Folge bei sich hat. Aber wie nach Luther die fides allein rechtfertigt, so soll nach Anselm die ratio allein als beweisende, dem intelligere im engeren, strengeren Sinn dienliche Instanz zugelassen sein.“ (Barth, Karl: Fides quaerens intellectum (1931), KBGA 13, Zürich 3. Aufl. 2002, 43.)
Diese Reglementierung der Theologie als rationaler Wissenschaft hat ihren Ursprung in den Fragen der Menschen, sie begegnen uns bereits im Neuen Testament:
„Wir wünschen aber von dir zu hören, was du denkst;“ (Apg 28,22.)
„Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du lehrst?“ (Apg 17,19-18,15.)
Theologie hat als menschliches Werk die Aufgabe, den Menschen in ihren Zweifeln und Fragen mit menschlichen Mitteln und Versuchen zu begegnen. Die Theologie selbst verfügt nicht über Gott als einem Gegenstand, sondern kann immer nur Versuch, menschliche Annäherung an die Wahrheit Gottes in der Entsprechung mit der Offenbarung Gottes sein.
Wir finden bereits bei Paulus Kriterien für eine Wort gemäße, apostolische bzw. kirchliche Theologie:
„Wenn jemand anders lehrt und bleibt nicht bei den heilsamen Worten unseres Herrn Jesus Christus und bei der Lehre, die der Frömmigkeit gemäß ist, der ist aufgeblasen und weiß nichts, sondern ist süchtig nach Fragen und Wortgefechten. Daraus entspringen Neid, Hader, Lästerung, böser Argwohn, Schulgezänk solcher Menschen, die zerrüttete Sinne haben und der Wahrheit beraubt sind, die meinen, Frömmigkeit diene dem Gewinn. Ein großer Gewinn aber ist die Frömmigkeit zusammen mit Genügsamkeit.“ (1 Tim 6,3-6.)
Nicht das Denken selbst gibt vor, was Theologie zu sein hat, sondern so wie es Karl Barth es bei Anselm vorfindet, so lesen wir auch bei Paulus, dass die Voraussetzung einer jeden kirchlichen Theologie die Autorität der in der Heiligen Schrift überlieferten Offenbarung Jesu Christi sein muss:
„[U]nd nehmen gefangen alles Denken in den Gehorsam gegen Christus.“ (2Kor 10,5-12,19.)
So tragen nun die Lehrer, Prediger und Theologen eine schwere Verantwortung vor Gott, dass zu verstehen, was sie lehren – hierzu Klarheit und Möglichkeit zu geben, dient die Dogmatik als Wissenschaft:
„Nicht jeder von euch, meine Brüder, soll Lehrer werden; da wir doch wissen, dass wir ein desto strengeres Urteil empfangen werden.“ (Jak 3,1.)
Das Ziel der Lehre, so lehrt uns Paulus weiter, ist nicht die Rechthaberei und leere Behauptung einer Moral oder eines Gesetztes, sondern dass die Liebe zunehme in der Welt. Dazu gehört die Liebe zum Wort, die wiederum den Willen zu Verstehen beinhaltet – denn wer, der nicht kritisiert, versucht, in eigenen Worten formulieren wollte, was er selbst verstanden hat, und mit anderen um der Wahrheit willen eifirig diskutieren würde, weil ihm die Sache, die er erforscht, nicht wiriklich am Herzen lege? Es darf nicht geschehen, dass wir aus Machtgier, Anerkennungslust oder zu einem anderen Zweck denn aus Liebe, Theologie treiben.
„Das Ziel der Unterweisung aber ist Liebe aus reinem Herzen und aus gutem Gewissen und aus ungeheucheltem Glauben. 6 Davon sind einige abgeirrt und haben sich hingewandt zu unnützem Geschwätz, 7 wollen das Gesetz lehren und verstehen selber nicht, was sie sagen oder was sie so fest behaupten.“ (1 Tim 1,5-7.)
Darum ist es auch nicht verkehrt, im Gegenteil, wenn Theologen zu allen Zeiten versuchen, bei ihren geistlichen Vorfahren zu lernen, darum ist es recht, dass auch die Dogmatik sich theologiegeschichtlich ihrer Aufgabe annimmt:
„Gedenkt eurer Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schaut an und folgt dem Beispiel ihres Glaubens.“ (Hebr 13,7.)
Gerade dafür soll Dogmathink stehen. Für die Notwendigkeit, die in der Liebe zu Gott erwacht, über den eigenen Glauben nachzudenken und also in diesem Nachdenken eine persönliche, wissenschaftliche und kirchliche Verantwortung zu sehen, die von Gott vom Menschen geradezu fordert – zu verantworten, was wir denken, meinen und glauben.
Wofür steht der Name Dogmathink?
Auf Dogmathink sollen Themen, Fragen und Probleme der christlichen Glaubenslehre bearbeitet, zusammengefasst, angesprochen, diskutiert und bestaunt werden.
Und es soll ein Nachdenken sein, dass auf ein Verstehen abzielt.
Aber dass auf ein Nachdenken auch ein Verstehen folgt, ist nicht selbstverständlich, darum ringt die Dogmatik – darum wagt die Dogmatik, auch dogmatisch zu sein, d. h., sich immer wieder festzulegen, ohne aber um ihrer Relativität menschlicherseits zu vergessen. Und immer wieder wird sie darum auch wagen, lieb gewonnene Einsichten, um der Wahrheit willen, zu hinterfragen und gegebenenfalls auch verwerfen.
Sie wird aber auch frühere dogmatische Einsichten, die als überholt und alt gelten, in ihr Nachdenken miteinbeziehen, sie um Rat befragen und gegebenenfalls auch in ihr gegenwärtiges Denken aufnehmen.
Beides gehört zur Dogmatik – Verwerfen, Wiederaufnehmen und Setzten von Glaubenssätzen und Überzeugungen.
Damit das Verstehen gelingen kann, braucht es aber mehr als eine Offenheit für altes und neues Denken.
Dogmatik als Denk-System
Dass es nötig sein kann, altes oder neues zu setzten, impliziert, dass es Regeln, Gesetzmässigkeiten oder einen nachvollziehbaren Rahmen gibt, in dem sich dieses Denken vollzieht.
Gerade darum ist Dogmatik oftmals als kohärentes und konsistentes Denksystem zu betreiben, veruscht worden.
Zwar besteht dabei immer die Gefahr, dass Gott vermeintlich in ein System gepfercht wird.
Weil Systeme dazu tendieren, in sich abgeschlossen zu funktionieren, d. h., Verständnis für ein Wissensgebiet zu schaffen, sind sie auch gefährdet, ihren Wissensbestand als abschliessend zu schützen. Das würde bedeuten, Gott wäre so wie im System erfasst und beschrieben und könnte gar nicht anders sein, das wiederum würde bedeuten, Gott wäre nicht der freie und souveräne Herr des Menschen. Aber dann würde die Dogmatik eben aufhören, von Gott zu sprechen und wäre sich selbst zum Götzen geworden.
Dann wird Dogmatik zum Dogmatismus – zu seiner apodiktischen Kehrseite, die keinen Widerspruch duldet und absoluten Gehorsam fordert.
Darum ist wichtig für die Dogmatik, dass sie nicht eine Wissenschaft über Gott ist. Sie beschreibt oder erfasst Gott nicht als solchen. Sondern ist vielmehr eine Sonderwissenschaft, die von Gott gestiftet und begnadet ihren Denkweg gehen darf und soll.
Dogmatik beschäftigt sich als Wissenschaft darum vor allem damit, wie Menschen über Gott denken und gedacht haben, wie Menschen von Gott geredet haben und heute noch reden. Die Predigt ist gewissermassen Ausgangspunkt und Endpunkt jeder Dogmatik. Es geht ihr darum, wie Menschen ihren Glauben an Jesus Christus inhaltlich ausfüllen.
Es ist, mit anderen Worten, die kritische Reflexion der Theologie selbst.
Das heisst aber nicht, dass die Dogmatik gar nichts über Gott zu sagen hätte.
Im Gegenteil, denn was sie von Gott zu sagen hat, hat sie alleine in Bezug auf das zu sagen, was Gott von sich selbst gesagt hat, d. h., wie es uns in der Bibel von Menschen überliefert wurde. Nämlich in der Selbstoffenbarung Gottes: In Jesus Christus.
Gemeinsam lernen, Dogmatik zu treiben
Auf diesem Blog will ich dich mit auf die Reise nehmen, mithilfe der Dogmatik den christlichen Glauben kennenzulernen, zu vertiefen und an entscheidenden Stellen gekonnt zu hinterfragen.
Dazu möchte ich euch in zukünftigen Beiträgen einen Einblick geben, 1) was Dogmatik ist und 2) wie sie tickt. Wir werden gemeinsam 3) die christliche Glaubenslehre mit anderen Glaubensrichtungen und Weltanschauungen ins Verhältnis setzten und uns 4) Dogmatik exemplarisch erarbeiten, zusammenfassen und erklären.
Ich möchte das gerade nicht alleine machen, sondern mit euch zusammen. Teilt mit gerne mit, was ihr denkt, welche Themen euch besonders angeregt haben oder wo ihr euch Vertiefung oder Klärung wünscht. Und allem voran schreibt gerne, wie ihr selbst denkt oder welche Bücher, Gedanken und Überlegungen euch zum jeweiligen Beitrag inspiriert haben.
Über all die Anregungen und Herausforderungen von dir als Leser oder Leserin freue ich mich bereits.
Wie kann ich mich beteiligen?
Wenn du Teil dieser erst im Entstehen befindlichen Community werden möchtest, kannst du das mithilfe der Kommentarfunktion tun oder mich direkt anschreiben. Abonniere gerne meinen Blog, dann wird die Funktion für dich freigeschaltet.